Identitätskonstruktionen und Popkultur
Installation, Performance, Skulptur? Will man das Werk des 1998 in Judenburg geborenen und in Graz aufgewachsenen Künstlers Julius Pristauz in eine Schublade stecken, stößt man schnell auf einen Schrank mit vielen offenen Fächern.
"Eine Kritikerin nannte meine Arbeit einmal ‘polydisziplinär', das passt ganz gut", lacht Pristauz, der gerade im Rahmen eines Arbeitsstipendiums des Landes Steiermark in Athen weilt. Zur Kunst kam der Steirer, der in einer Familie von Profisportlern aufgewachsen ist und selbst im Volksschulalter Hip-Hop zu tanzen begann, eigentlich über die Literatur. Als er mit 17 nach Wien zog, kam er in einer Leserunde mit Menschen in Kontakt, die an der Angewandten studierten. "Das war der erste Moment, in dem mir klar wurde, dass man das ja auch beruflich machen könnte: Kunst." Also bewarb er sich für den Studiengang Transmediale Kunst - und wurde angenommen. 2022 schloss er das Studium mit der Diplomausstellung "Bad Light" ab, in der er diverse "gefundene Architekturen" um private und öffentliche Aspekte heutiger Identitätskonstruktion erkundete und in einem gleichnamigen Kurzfilm erweiterte.
"Meine Arbeiten drehen sich inhaltlich sehr stark um Performance, aber eben nicht nur im Medium Performance", erklärt Pristauz. So untersucht er etwa die Frage nach der Performance im Alltag, der Performativität an sich. Ein Beispiel dafür ist seine im Jahr 2023 in der Halle für Kunst Steiermark realisierte Ausstellung "Propaganda", die er als "eine Art Meilenstein für meine Arbeit" bezeichnet. Gemeinsam mit Freund*innen realisierte er eine 45-minütige Performance in einem eigens dafür geschaffenen Bühnenbild, das in weiterer Folge als Installation im Ausstellungsraum zu sehen war. Auch Licht spielt in seinen Arbeiten mittlerweile eine große Rolle. Kein Wunder, möchte man denken, hat Pristauz immerhin bei der Lichtkünstlerin Brigitte Kowanz studiert. "Es ist ironisch, dass ich jetzt begonnen habe, auch mit dem Licht zu arbeiten. Weil während des Studiums war das in meiner Arbeit kein Thema", lacht Pristauz.
Inhaltlich widmet sich der Künstler auch immer wieder der "Popkultur als Trägermaterial für Ideologie oder ideologische Kommunikation innerhalb von Trendsystemen", wie er erklärt. Mithilfe der Performance versuche er - durchaus humorvoll und "fast schon satirisch" - den Zustand der Welt anhand von Bildern und Stereotypen zu erzählen. Wichtig ist es ihm dabei, innerhalb des Stückes die Rollen unter den Performer*innen immer wieder neu zu verteilen.
In neueren Arbeiten fokussiert er stärker auf die Konstruktion von Identität, wobei er den Identitätsbegriff auszuweiten versucht, etwa in Richtung Corporate Identity: "Die Identität ist ja ein Feld, das viel breiter ist als nur Körper, Gender, Sexualität, Race usw." So habe er auch begonnen, mit den Identitäten von Ausstellungsräumen selbst zu arbeiten, indem er etwa das Logo des Ausstellungsraums weiterdachte.
Derzeit ist er an einem Punkt, wo er sich zum ersten Mal künstlerisch mit dem Thema Sport - Sport als Popkultur - auseinandersetzen will. "Sport ist ja eigentlich auch ein Trägermaterial für nationalistische Ideen und Identifizierung, für Patriotismus, für Projektionen. Der Gedanke, dass Andere etwas erreichen, womit man sich wiederum identifiziert." Und so widmet er sich in Griechenland in seiner aktuellen Recherche der architektonischen Begebenheit etwa von Stadien, in deren Architekturen er sich wieder "als Performer, als queeres Subjekt, das Geschichten erzählt und infrage stellt," einfügen will. Denn schließlich: "Der Begriff der Performance bezeichnet im Englischen ja auch die Leistung. Das ist für mich interessant, weil es mich nach all der Zeit auch irgendwie wieder mit meinen Brüdern vereint. Wir machen etwas - und am Ende klatschen die Leute."
https://www.juliuspristauz.eu/
Sonja Harter
April 2024